Antwort auf diese Frage:
Solche oder ähnliche Probleme mit der Abgrenzung zwischen verschiedenen Normen, deren Anforderungen und Schutzzielen gibt es in der täglichen Praxis sehr häufig, was oft zu Diskussionen unter den Normenanwendern führt.
Bevor diese hier aufgeführte Praxisanfrage im Detail beantwortet wird ist wichtig folgenden Grundsatz zu verdeutlichen „ Das Ziel eines solchen Prozesses muss sein, ein sicheres Arbeitsmittel zu konstruieren und selbstverständlich auch die Sicherheit durch die notwendigen Prüfungen nachzuweisen.“
Um diese Ziel „Sicheres Arbeitsmittel“ zu erreichen muss sich die verantwortliche Elektrofachkraft den einschlägigen Normen bedienen, um hieraus die erforderlichen Anforderungen zu ermitteln. Dies trifft auch auf den Bereich des Prüfens von Arbeitsmitteln zu, ganz besonders wie in diesem Fall wenn sich das Arbeitsmittel nicht eindeutig einer speziellen Norm zuordnen lässt.
Nach der Einschätzung des Unterzeichners dieser Antwort stellt das hier beschriebene Arbeitsmittel keine Maschine im klassischen Sinne dar, was sich auch aus der Definition einer Maschine aus der Maschinenrichtlinie (Begriffsbestimmung einer Maschine nach Artikel 2 2006/42/EG) oder auch wenn etwas abweichend von der Maschinenrichtlinie die Begriffsbestimmung nach EN 60204-1 Abschnitt 3.35 herleiten lässt.
Auch die Anwendung der vom Anfragenden angeführten DIN VDE 0701-0702 ist hier nicht ziehführend, da diese Norm nicht als „Herstellernorm“ ausgewiesen ist, sondern als „Prüfnorm“ für Instandsetzung bzw. zur Wiederholungsprüfung von ortsveränderlichen Geräte angewendet werden soll.
Dies heißt das der Anfragende wenn wie in diesem Fall keine direkte Normenvorgabe gegeben ist, selbst in Ableitung von Grund-Sicherheits-Normen die Konstruktionsmerkmale und den Prüfablauf des Arbeitsmittels festlegen muss. Zusätzlich muss natürlich eine Konformitätserklärung nach der Niederspannungsrichtlinie 2006/95/EG erstellt werden, und das Arbeitsmittel nach den einschlägigen Vorschriften gekennzeichnet werden.
Folgende grundlegende Aspekte in Bezug auf die elektrische Sicherheit sind hiervon Bedeutung
- Schutzmaßnahmen gegen elektrischen Schlag z.B. (DIN VDE 0100-410 bzw. DIN VDE 0140-1)
- Auslegung von Schutzleiter und Potentialausgleichsleitern z.B. (DIN VDE 0100-540)
- Niederspannungsschaltgerätekombinationen z.B. (DIN VDE 0660-600-1/2)
- Schutz gegen Überstrom z.B. (DIN VDE 0100-430)
- Prüfungen z.B. (DIN VDE 0100-600 bzw. DIN VDE 0701-0702)
Auch der vom Anfragende aufgeführte Punkt bezüglich des Schutzleiterstroms (Differenzstromverfahren) mit dem aus DIN VDE 0701-0702 abgeleiteten Wert von 3,5mA kann durch eine Herstellervorgabe auf einen höheren Wert angesetzt werden, solange die grundlegenden Anforderungen der DIN VDE 0140-1 Anhang B beachtet werden.
Da die Beschreibung des zu beurteilenden „Arbeitsmittels“ durch den Anfragenden nicht detailliert genug ausgefallen ist um einen speziellen Prüfablauf zu erarbeiten, wird sich der Unterzeichner dieser Antwort auf eine allgemeine Herleitung beschränken.
Ein Beispielhafter Prüfprozess könnte aus folgenden Punkten bestehen
- Sichtprüfung
- Prüfung der fachgerechten Verbindung der Schutz und Potentialausgleichsleiter
- Isolationsprüfung (wo dies möglich und sinnvoll ist)
- Schutzleiterstrom (Differenzstrommessung)
- Berührungsstrommessung
- Restspannungsmessung
- Überprüfung der Schutz und Überwachungseinrichtungen
- Funktionsprüfungen (Funktionsfähigkeit des Arbeitsmittels)
- Dokumentation der Ergebnisse
Zusätzlich können je nach genauer Konstellation noch weitere Prüfungen notwendig bzw. sinnvoll sein.
Dieser Prüfablauf erhebt ausdrücklich keinen Anspruch auf Vollständigkeit, da dies erst möglich ist wenn das betreffende Arbeitsmittel genauer spezifiziert und einer Gefährdungsanalyse unterzogen worden ist, die komplette Darstellung einer Ausarbeitung eines solchen Prüfprozesses würde im übrigen den Umfang einer Anfrage in der Rubrik „Praxisprobleme“ deutlich übersteigen.
Zusammenfassend kann zu dem ersten Punkt der Anfrage ausgeführte werden, das der Hersteller der Arbeitsmittel unter Beachtung der oben aufgeführten grundlegenden Schutzanforderungen die Verantwortung für die sichere Konstruktion und auch den Prüfprozess der Fertigungsprüfung trägt.
Bei dem zweiten Teil der Anfrage bezüglich des zusätzlichen Potentialausgleichs und dessen Ausführung bei „Hochspannungsprüfgeräten“ kann ohne genaue Kenntnis der Herstellervorgaben (Hersteller des Hochspannungsprüfgerätes) des speziellen Prüfgerätes kein abschließende Antwort gegeben werden.
In der Regel sehen die Hersteller der „Hochspannungsprüfgeräte“ die Möglichkeit vor das ein Leiter des zusätzlichen Potentialausgleich wie er z.B. in der DIN VDE 0104 Abschnitt 4.3 gefordert sein kann auch an ihre Prüfgeräte angeschlossen werden könnte. Dieser zusätzliche örtliche Potentialausgleich ist dann nach den Vorgaben der DIN VDE 0100-410 Abschnitt 415.2 und DIN VDE 0100-540 Abschnitt 544.2 zu errichten.
Ob dieser zusätzliche Potentialausgleich notwendig ist bzw. errichtet werden soll hängt vom Ergebnis der für dieses Arbeitsmittels durch zu führenden Gefährdungsanalyse ab, vom Hersteller dieses Arbeitsmittels ist falls er den zusätzlichen Potentialausgleich für erforderlich hält ein entsprechender Hinweis in die Dokumentation auf zu nehmen.
Das etz empfiehlt Ihnen zu diesem Thema folgenden Kurs: Messpraxis "Wiederholungsprüfungen an elektrischen Betriebsmitteln" nach DGUV Vorschrift 3 / DIN VDE 0701-0702
Unterzeichner der Antwort: Frank Ziegler Elektrotechniker –Meister Dozent am Elektro-Technologie- Zentrum (etz) Stuttgart
Öffentliche bestellter und vereidigter Sachverständiger für das Elektrotechniker Handwerk der HWK Stuttgart.
VDS Sachverständiger für die Prüfung elektrischer Anlagen nach VDS 3602 und VDS Thermografiesachverständiger.
Der Beitrag erschien in der Fachzeitschrift de / pv-praxis.de im Rahmen der Rubrik „Praxisprobleme“