Antwort auf diese Frage:
Diese Praxisanfrage beschreibt fast schon mustergültig die typische Problemstellung bei Prüfungen (Erst oder Wiederholungsprüfungen) an ortsfesten elektrischen Anlagen. Es wird wie dieser Praxisfall zeigt versucht die Prüfung elektrischer Anlagen auf das Messen elektrischer Größe wie Ströme, Spannung, Wiederstände usw. zu stigmatisieren. Dies kann aber wie dies Praxisanfrage zeigt zu mehr oder weniger großen Problemstellungen, die aber nicht den Kern der Problematik aufzeigen führen und die Lösung eines Problems eher erschweren als ein brauchbares Ergebnis ergeben.
Die nachfolgenden Hinweise des Unterzeichners diese Antwort sollen nun für diese oder ähnliche Fälle als Hilfestellung dienen, um eine effiziente und sichere Prüfung von ortsfesten elektrischen Anlagen zu gewährleisten.
Nun aber zur konkreten Fragestellung:
Das Prüfen ortsfesten elektrischen Anlagen gliedert sich immer in die drei folgenden Teilabschnitte auf.
Nach dem Abschluss dieser drei Prüfabschnitte hat dann noch eine Dokumentation der Ergebnisse nach den normativen Vorgaben der DIN VDE 0100-600 bzw. der DIN VDE 0105-100 zu erfolgen.
Wenn ein oder mehrere Teilabschnitte nicht komplett durchführbar sind (z.B. das Besichtigen eines Erders in der Widerholungsprüfung) sind die weiteren Teilabschnitte so auszuführen dass ein verlässliches Prüfergebnis trotz der nicht komplett durchführbaren Teilschritte erzielt wird. Dies stellt in der Wiederholungsprüfung ortsfester elektrischer Anlage den „Normalfall“ dar da fast keine elektrische Anlage zur Wiederholungsprüfung komplett zugänglich ist (Beispiel Unterputz- Leitungen).
Hier führ muss der Prüfer aber über die notwendige Erfahrung und das Fachwissen und selbstverständlich auch über die erforderliche messtechnische Ausstattung verfügen. In solchen Fällen wie dem hier angefragten muss dann aus Interpretation der durchführbaren Teilabschnitte vom Prüfer auf das Prüfergebnis geschlossen werden. Genau diese Interpretation und Würdigung der Teilabschnitte (ob vollständig durchführbar oder nicht) und das Ableiten des Prüfergebnisses ist der wichtigste Punkt bei der Wiederholungsprüfung ortsfester elektrischer Anlagen und stellt die eigentliche Prüfkompetenz dar.
Ist aber wegen einer nur sehr lückenhaft durchführbaren Prüfung keine klare Aussage über das Prüfergebnis möglich, dann muss dies dem Auftraggeber in der Prüfdokumentation dargelegt werden, und es müssen weitere Maßnahmen empfohlen werden. Um die vorangegangenen Ausführungen auf den hier angefragten Fall anzuwenden, muss der Anfragende sich die Frage stellen.
Was kann nun aus der den oben aufgeführten „Messwerten“ interpretieren.
Messwerte im Einzelnen interpretieren:
Messung Anlagenerder (TT-System)
Berührungsspannung 6 bis 11 Volt (TT System)
Hier ist noch kein kritischer Wert (50V) erreicht, über eine Umrechnung kann hier auf einen Erdausbreitungswiderstand von 200Ω- 370Ω geschlossen werden.
Berührungsspannung kleiner 1 Volt (TT System)
(Erfahrungswert des Anfragenden aus anderen Anlagen)
Hier ist noch kein kritischer Wert (50V) erreicht, über eine Umrechnung kann hier auf einen Erdausbreitungswiderstand von 30Ω- 40Ω geschlossen werden.
Messung Erdausbreitungswiderstand
Erdausbreitungswiderstand 211 Ohm (Dreileiter –Messverfahren)
Dieser Wert passt von der Größenordnung zur gemessen Berührungsspannung (6 bis 11 Volt)
Somit kann aus der Überschneidung der Messergebnisse der Berührungsspannung und des Erdausbreitungswiderstandes geschlossen werden, dass der zu prüfende Erder einen Erdausbreitungswiderstand von ca. 200 Ω bis 220 Ω aufweist.
Was kann nun aus dieser Messung, die ja keine vollständige Prüfung darstellt geschlossen werden?
Ein Erder der einen derart hohen Erdausbreitungswiderstand aufweist, (zwei verschiedenen Messverfahren ergeben einen vergleichbaren Wert) kann nicht mehr als fachlich einwandfrei angesehen werden, auch wenn damit formal die Abschaltbedingung im TT-Netz bei einem Fehlerstromschutzschalter mit einem Bemessungsdifferenzstrom ≤30mA eingehalten wäre. (Diese Erkenntnis haben hunderte von Erdungsmessungen des Unterzeichners mit verschiedenen Messverfahren ergeben).
Fachlicher Hinweis:
Diese Größenordnungen von Erdausbreitungswiderständen wird von fachgerecht errichteten und intakten Erdern nur bei extrem schlechten spezifischen Erdwiderständen erreicht.
Der Unterzeichner dieser Antwort geht davon aus das es sich bei dem hier angefragten Erder um einen Einzelerder (z.B.Tiefenerder) handelt.
Fazit:
Dies kann somit nur in das Prüfergebnis münden das die hier gemessene Erdungsanlage nicht mangelfrei ist, und somit instandgesetzt bzw. erneuert werden muss.
Abschließend muss aber noch folgender Sachverhalt zum Ausdruck gebracht werden. Ein „Messverfahren“ das es ermöglich, die Qualität eines versteckten Erders zu beurteilen, kann es nur soweit geben wie es sich auf die Messung reduzieren lässt. Nur durch eine Messung des Erdausbreitungswiderstandes kann nicht mit abschließender Sicherheit auf die korrekte Funktion und Mangelfreiheit des Erders oder einer Erdungsanlage geschlossen werden.
Weitere Messverfahren zur Bestimmung des Erdausbreitungswiderstandes sind im Anhang B der DIN VDE 0100-600 (2008-06) beschrieben, die aber in der Regel auch keine Zugewinn an Informationen für den Prüfer gegenüber den hier bereits angewendeten Verfahren bringen.
Abschließender Hinweis:
Es sind in den Normen der Normenreihe VDE 0100 keine Grenzwerte für den Erdausbreitungswiderstand in TN –Netzen definiert. In TT-Netzen ergibt sich der maximale Erdausbreitungswiderstand aus der Abschaltbedingung nach DIN VDE 0100-410 (2007-06 )Abschnitt 411.5.
Das etz empfiehlt Ihnen zu diesem Thema folgenden Kurs: Fundamenterder und Potentialausgleich mit Messung des Erdwiderstandes
Unterzeichner der Antwort:Der Beitrag erschien in der Fachzeitschrift de / pv-praxis.de im Rahmen der Rubrik „Praxisprobleme“